Un caillou dans la main

Kate Whitebread

 Im Raum begegnen wir einem prekären Gleichgewicht von Elementen, die zwischen Laborexperiment, Ökosystem und anthropologischer Beobachtung angesiedelt sind. Seit einigen Jahren setzt sich Véronique Zussau mit der Instabilität von natürlichen und technischen Systemen auseinander. Sie artikuliert ihr Gespür für räumliche Kontexte und ökologische Fragestellungen in poetischen Setzungen von Bildern und Objekten, die viel erzählen und doch eine geheimnisvolle Wirkung entfalten. 

Wasser fliesst von einem gläsernen Kubus in den anderen. Man hört es plätschern, hört das Surren der Pumpe, beobachtet beim genauen Hinschauen die Wassertropfen im leuchtenden Grün der Schläuche. Die Installation von Véronique Zussau zeigt einen in sich geschlossenen Kreislauf, der eindeutig technischer Natur ist: Die Pumpe, die Kabel, das Glas weisen darauf hin. Andererseits wecken das fliessende Wasser, das Grün der Schläuche, auch die Assoziation an Kreisläufe in der Natur, von Wassersystemen bis zur Zirkulation von Blut im menschlichen Körper. Dies ist das erste von zwei Spannungsverhältnissen, die für die neueren Arbeiten von Véronique Zussau prägend sind: Die Wechselwirkung zwischen Natur und Technik. Die zweite Spannung, die darauf aufbaut, besteht in der Befragung des Kreislaufes selber, denn auch ein scheinbar in sich geschlossenes System befindet sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Umgebung: Die Glaskuben balancieren auf Eisenstangen, die wiederum die Gegebenheiten des Raumes nutzen, um eine stützende Konstruktion zu erzeugen. Doch diese Konstellation ist prekär, es braucht zusätzliche Stützen, kleine Steine, welche die Künstlerin scheinbar behelfsmässig einfügt, um den Wasserspiegel ins Lot zu bringen. Das Gleichgewicht jedes einzelnen Elements ist abhängig von seiner Relation zu den anderen Teilen und zum Raum als Ganzes. 

Dies gilt für die Installation «Un caillou dans la main» sowie auch für Zussaus Zugang zum Kunstschaffen generell, als ein Arbeiten in Zusammenhängen. Jede Ausstellung, jede einzelne Arbeit, versteht sich als temporäres Geflecht von Beziehungen. Es gibt Elemente, die immer wieder auftauchen: Laborgeräte, Standardbaustoffe, Edelstahl, natürliche Materialien wie Wasser oder Steine, und – bezeichnenderweise – verschiedene Arten von Verbindungssystemen. Da entsteht einerseits jeweils ein überschaubarer Mikrokosmos, in dem ein Equilibrium herrscht, eine Ruhe, eine bezaubernde, produktive Form der Wechselwirkung zwischen den Teilen eines Systems. Doch gleichzeitig hat die Konstellation etwas Instabiles, Prekäres. Eine kleine Veränderung könnte ein Ungleichgewicht verursachen, der Moment der gegenseitigen Berührung ist auch der Moment der grössten Verletzlichkeit.

Damit stellt sich auch die Frage nach unserem Umgang mit den Systemen, die unsere Welt prägen – Systeme, die auf einer untrennbaren Verflechtung von Natur, Technologie und Kultur beruhen. Hier weist Zussaus Arbeit eine gewisse Nähe zur Prozessphilosophie eines Gilles Deleuze oder George Simondon auf, wo die Instabilität und Transformation, sowie die Zusammenhänge zwischen kulturellen und natürlichen Systemen, eine zentrale Rolle spielen. 

Véronique Zussaus Arbeiten gehen jedoch nicht direkt von philosophischer Theorie oder wissenschaftlicher Erkenntnis aus, sondern nutzen assoziative und suggestive künstlerische Verfahren. In ihrem Werk seit den frühen 1990er Jahren (Objekte, Assemblagen, Fotografien) taucht immer wieder ein Interesse an der Verflechtung und Befragung von wissenschaftlichen und kulturellen Formen der Bildfindung auf: Diagramme, Landkarten, Dioramen und Modelle sowie Märchen, Schattenspiele, oder Spielzeug, die sie gleichermassen imitiert und entfremdet. Zussau bewegt sie sich in einem Bereich zwischen ernsthafter Fragestellung und Augenzwinkern, Affekt und Kritik, erzählerischer Erklärung und geheimnisvoller Skizze. Ein Loch in der Wand, daneben ein Stab: Die Kausalität ist fragwürdig, und doch angedeutet. Daneben ein Stein auf rotem Grund, wie eine im Weltraum schwebende Vergrösserung der Steine, welche die Installation balancieren. Wie der Stab oder Stecken ist der Stein ein mögliches Werkzeug, eine der Grundformen der menschlichen Technologie (der Faustkeil, der Feuerstein). Eine Ressource, die wir nutzen, um auf unsere Umwelt Einfluss zu nehmen, und gleichzeitig ein grundsätzlicher Bestandteil dieser – im Dreck unter unseren Füssen, in den Weiten des Universums, tief im Inneren eines Berges, oder in unserer Hand. Der Beginn einer Handlung, die immer angedeutet, doch nie sichtbar gemacht wird. Es bleibt ein Gespür für eine Beziehung, zwischen und zu den Dingen. 

Konrad Tobler: Poesie des Entzugs 

Véronique Zussau
Zur neusten Installation

Das ist der Plot einer Erzählung, einer möglichen Erzählung. Véronique Zussau führt sie nicht aus. Ihre Installation ist aber auch keineswegs Illustration. Eher ist es so, dass hier Fragmente einer Narration zu sehen sind, die nicht ausformuliert werden soll und kann. Was scheinbar mit leichter Hand kombiniert ist, verdichtet sich auf der Stelle. Leerstellen öffnen Fragen. Andeutungen stacheln die Fantasie an. Bekanntes trifft auf Unbekanntes. Das ist ein Verfahren, das sich an der philosophischen Romantik ebenso orientiert wie an surrealistischen Spielen. Es öffnet sich so ein Raum der Ahnungen, in den Betrachterinnen und Betrachter fast automatisch involviert werden. So zurückhaltend diese Setzungen sind, die Véronique Zussau macht, so stark ist der Sog, den sie ausüben.

Wenn Poesie die Kunst des Viel- und Mehrdeutigen ist, dann ist die in Bern lebende Künstlerin Véronique Zussau eine Poetin des Visuellen. Mit ihrem Spiel des Als-Ob – als ob man begriffen hätte, als ob da eine Erzählung vorläge, als ob es eine Botschaft gäbe –, mit dieser Irritation des Entzugs schafft sie immer wieder neue Erfahrungsräume. Deren Kennzeichen ist die Behutsamkeit, die stets spürbar ist und die auch die Arbeitsweise der Künstlerin auszeichnet. Rasche und vorschnelle Behauptungen sind ihre Sache nicht. Das Märchen und die Fabel mit ihrer Abgründigkeit stehen ihr näher als die direkte Dokumentation. Dabei umgeht sie mit ihrer Poetik der Leerstellen die Gefahr, eine Moral zu formulieren. Indem aber, wer sich darauf einlässt, fast hinterrücks mitten drin steht, wird nach und nach auch merkbar, dass das Sujet stets eines ist, dem Träume und Albträume der Gegenwart eingeschrieben sind. Diese haben bei Véronique Zussau notwendigerweise ihre eigene Logik. Das ist der Reiz, das ist die stille Kraft ihres Werkes.

Konrad Tobler: Als ob das Stillleben lebte

Genau hier setzt Véronique Zussau mit ihrer Installation an. Sie tut nicht so, als ob sie nichts von der leichten Last des Stillebens wüsste – indem sie im Ornament an der Wand – kunsthistorisch beinahe dreist, aber subtil in der Form – Caravaggios Früchtekorb zitiert. Sie tut nicht so, als ob sie die Banalität des puren Naturalismus nicht kennen würde, und setzt gleich reale Früchte in ihr Tableau – und spielt so bewusst mit der im Stillleben stets präsenten Botschaft der Vergänglichkeit. Aber auch das ist ein Als ob, denn die Früchte sind perfekt in ihrer Züchtung: Und werden immer wieder ersetzt.

Mit dem Begriff des Tableaus ist gleich ein weiteres Element deutlich: Hier wird auch nicht getan, als ob dieses Stillleben eine Installation wäre – denn zu präsent ist die feinkörnige Wandmalerei, die ihrerseits nicht so tut, als ob es pure Malerei wäre. Dennoch scheut diese Arbeit das Moment des Illusionismus keineswegs: Das Tableau – es hat durch die gezielt theatralische Beleuchtung die dem Stillleben entgegengesetzte Bedeutung eines «Tableau vivant» – evoziert mit den auf den Boden geklebten Parkettplanken geradezu die Illusion des Raumes – als ob hier Fluchtlinien vorhanden wären, die jedoch, fast atemlos und doch ruhig, vom fliehenden, den Raum durchschneidenden Ornament wieder als reines Als ob entlarvt werden.

«Als ob» ist der knappe Titel der Arbeit. Der Titel ab ist seinerseits ein Als ob: Er suggeriert eine Zurückhaltung, die nur so tut, als ob hier nichts erzählt würde. Was erzählt wird, bleibt in diesem offenen Raum des Als ob, öffnet sich im Tableau vivant des Stilllebens. Mit dieser Offenheit des Als ob setzt Véronique Zussau konsequent ihre Untersuchungen mentaler Räume fort, die sie mit ihren verschlossenen schwarz schimmernden Körpern begonnen hat.

Konrad Tobler

Zur Mechanik des Erinnerns

Véronique Zussau
Zwei neue installativen Arbeiten, «hyper-privé» und «Am Horizont»

Ihre Inszenierung ist verblüffend einfach: Sie baut in drei kommunizierenden Räumen ein fast lebensgrosses Abbild derselben. In gleichmässigem Abstand zur Vorlage überzieht sie sämtliche Innenflächen, Wände und Decken mit hellem Karton, den Boden mit Malerteppich. Es verschwinden die Kanten und Leisten, die Profile und Füllungen hinter einer uniformen Fläche, die nur die Vertiefung der Fensterlaibungen akzentuiert – auch diese nun verschlossen, wie erblindet. Sie löscht die historischen Spuren, indem sie eine neue hinzufügt: Im Verdecken macht sie sichtbar.

Die drei Räume haben auch eine gestaltete Aussenansicht. Wie auf den Korridorwänden liess Véronique Zussau neu auch im anschliessenden Eckraum Faserplatten anbringen, so dass einheitliches Material die drei ausgesonderten Räume nun von aussen nahezu nahtlos und hermetisch umschliesst. Zussau lässt dabei die neuen Platten roh, markiert ihren Eingriff als kleine Abweichung und lenkt so subtil den Blick. Wie ein Modell bildet die Installation nun eine eingekapselte simulierte Welt, einen Gegenstand unserer Betrachtung und Reflexion.

Dieser analytische Aspekt der Arbeit verliert sich beim Betreten der Räume, wo uns ein intensives und doch eigenartig mattes Raumgefühl umfängt. Nicht Neubau, Kloster, Gummizelle, sind die Räume doch von ähnlich bedeutungsschwangerer Hohlheit, als liesse sich Leere greifen. Ihre Gedämpftheit, verstärkt noch durch das fahle Neonlicht, ist höchst suspekt: Man fühlt hinter der Wattierung das Vorhandene, das zwar verborgen, oder eher entrückt ist und doch wie ein Flüstern umso präsenter hervortritt. Die Geste des Auskleidens bleibt ambivalent zwischen neutralisierender Löschung und narrativer Aufladung.

Im Korridor davor sind drei Diaapparate zu Gange, die in versetztem Sekundentakt ihre Projektionen auf die Aussenwände und durch die Türen auch nach innen fallen lassen. Es sind die Bilder von Tapeten, die sich als freundliche Schicht in die Leere legen und die Temperatur der Räume farblich erwärmen: Stilisierte Lilien und verstreute Sträusschen, Kacheln und Markisenstreifen, Gitter und Rauten, poppige Muster und kindliche Sternchen – das Repertoire bürgerlichen Decorums zieht im Karussell an uns vorbei. Aus Musterbüchern hundertfach abfotografiert, werden die Tapeten durch die Projektion etwas vergrössert wie die Hintergrundsfolie eines Bühneninterieurs. Fleckenfrei und ohne Gebrauchsspuren wirken sie als Dia doch leicht vergilbt, vor allem da, wo sie sich unscharf und verzerrt in die Innenräume stülpen als diffuser Lichtraum. Und ein jedes Bild ruft andere Assoziationen wach: französische Villen, ländliche Gasthöfe, billige Absteigen…, aber auch die Wohnstuben unserer Grosseltern und das Muster, das, aus grosser Nähe betrachtet, manchen als Kind in den Schlaf begleitete. Anonym entworfen und industriell konfektioniert haben die Ornamente doch die Kunstgeschichte in sich aufgesogen. Schwebend über rohem Karton dienen sie nun als Auslöser privatester, doch auch vage angesiedelter Erinnerungen.

Das mechanische Geräusch der Apparate – ins Innere des von den Projektionen unberührten mittleren Raumes durch ein Mikrofon übertragen – wirkt altmodisch und zugleich aggressiv wie das Nachladen eines Repetiergewehrs. Es unterstützt die Wirkung der Installation als latent klaustrophobische Erinnerungsmaschine. Mit einfachen Mitteln entsteht ein Projektionsraum der Fantasie, das Modell einer Gehirnkammer, in der unablässig Erinnerungen aufscheinen. Sie ist zugleich düster und nostalgisch, poetisch und rastlos, individuell und von Normen geprägt.

Im zweiten Geschoss stehen wir dann vor einer zur Schauseite hin verglasten Box. Auf rustikalem Boden ruhen mattschimmernd weisse Berge – niedrige Modelle aus poliertem Gips, aneinandergefügt wie eben aus der Hohlform gestülpte Confiserie. Die Berggipfel präsentieren sich in Rapport und Ausschnitt – einer ihnen rein äusserlichen Kreisform – und damit als potenziell endloses Ornament. So könnte sich Krete an Krete reihen zum die Schweiz, ja die Welt umspannenden Gebirge, über das sich unser Blick aus der Höhe legen kann. Dennoch verspricht auch diese modellhafte Konstellation Véronique Zussaus nicht Überblick und Zugriff. In der Vitrine liegen lockend ersehnte Werte aus, die mit Händen zu fassen uns das kühle Glas verbietet. Eine dicke Scheibe hält auf Distanz, was an die Idylle einer hölzernen Berghütte erinnert. Die bühnenhafte Inszenierung wird erhellt von einem Leuchtkasten, in dem grob gepixelte Tannenwipfel aufscheinen. Daneben strahlt das Blau eines aus Fotografien animierten Videos: Mechanisch wie ein künstlicher Fisch im Aquarium zieht eine ewiggleiche Wolke im Monitor vorbei, die Zussau zum Prototyp verfestigt und gezähmt hat. Die Kondensate eines übergrossen, ja erhabenen Naturerlebnisses – Himmel, Wald und Gebirge – finden sich hier gebannt in humane Dimensionen im harmlosen Interieur – grösser und blanker als ein Souvenirstück zwar, aber doch präsentiert wie in der Warenwelt, ihrem Umfeld enthoben in unterkühlter Schönheit, als „nature morte“. Aus dem Kasten dringt Automatenmusik, eine gestockte kindliche Melodie, die den gefrorenen Reigen der Dinge begleitet.

Seit Jahren untersucht Véronique Zussau die Widersprüche und Gleichzeitigkeit verschiedener Realitätsebenen, die Kippmomente zwischen Objekt und Bild, zwischen Entrückung und sinnlicher Präsenz in modellhaften Installationen. In ihren melancholischen Schaustücken in Langenthal baut sie Projektionsräume für unser Gedächtnis, die anonym sind und hermetisch. Durchdrungen von vorgefertigten kulturellen Mustern setzen sie doch gerade präzise Impulse für intime Assoziationen – so wie wir im geliehenen Bett einer Herberge oft die tiefsten Träume träumen.

Annina Zimmermann, Basel

Ausstellung Galerie Imoberdorf, Murten

26.08.2007

Vernissagerede für Véronique Zussau

Véronique Zussau hat eine sehr sparsame Ausstellung inszeniert. Geschichten brauchen Raum, sagt sie. Und Zeit, sage ich. Denn es ist faszinierend, mehr und mehr zu erkennen, welcher Reichtum und welch unterschwellige Präzision in der Setzung jedes einzelnen Werkes, jedes einzelnen Teils der Installation, der Ausstellung, enthalten ist.

Prenons tout d’abord le titre de l’installation principale et de l’expo en tout: „Alice“, pas plus que „Alice“. Qu’est-ce-que vous avez fait, lorsque vous avez lu le titre sure le carton d’invitation? Avez-vous pensé à une femme, une jeune fille que vous connaissez et qui s’appelle Alice? Ou, ce qui est arrivé à moi, avez-vous immédiatement ajouté „im Wunderland“? Und ist es ihnen dann vielleicht auch so ergangen, dass die „Alice im Wunderland“ etwas Beglückendes ausgelöst hat, das sie im Detail aber gar nicht benennen konnten?

Je vous avoue que je suis allée à la maison après la rencontre avec Véronique ici à la galerie et j’ai vite tappé les mots dans mon Mac pour que Wikipedia me fournisse un résumée sur „Alice in Wonderland“. Klar war mir danach, dass meine Alice die Züge Walt Disneys trägt – ebenso wie jene von Véronique, on en parlera tout de suite – Walt Disneys Film zu Lewis Carolls Geschichte entstand 1951 und war dann in meiner allerersten Kino-Zeit in Europa zu sehen. Aber an die Geschichte erinnerte ich mich auch nach dem Nachlesen nicht mehr. Alice war Alice im Wunderland und das genügte. Andern offenbar auch, denn tausendfach wurde sie im Laufe der Zeit – Caroll schrieb die Geschichte 1865! – in immer neue Zusammenhänge gestellt. Ein Nichts, das tausend Facetten hat.

Et maintenant, regardez comment Véronique Zussau a réalisé son Alice, la partie de l’installation qui est dédiée littéralement au personnage de Caroll, mieux Disney. Véronique parle d’une Skulptur-Zeichnung. Vous voyez dedans – je dis dedans et non pas à la surface – Alice qui saute dans l’air – il n’y a rien où elle pourrait se tenir et pourtant elle a l’air gaie. Vous réaliez en regardant que la sculpture a un petit socle et dessus il y a un pillier de feuilles transparentes. Si vous êtes très curieux vous prenez peut-être une des feuilles pour regarder sa qualité. Et il est bien possible que vous êtes un tout petit peux paniqués, car rien est visible, pas de dessin, rien, ou bien, est-ce-qu’il y a là un petit ombrage? Si vous avez la chance que l’artiste est à côté de vous, vous recevez certainement l’explication.

Alle Folien, so erklärte mir Véronique, sind identisch, sind ganz ganz fein mit der Silhouette von Alice bedruckt. 500 Mal. Und die Verdichtung macht das Wunder sichtbar, bringt die Traumfigur in die Ausstellung. Ich war so berührt von dieser so einfachen und zugleich so komplexen, indirekt den ganzen Kosmos einschliessen-den Vorgehensweise, verbunden mit einer Figur, die genau das in sich trägt – das Sichtbare und das Unsichtbare – dass mir fast die Tränen kamen.

Mais qu’est quelle est, c’est Alice soudain visible, pour Véronique Zussau? Pour moi, elle dit, Alice est une jeune fille qui cherche sa place dans la vie, qui se fait petit ou grand, comme dans l’histoire de Caroll, pour qu’elle trouve le chemin dans ce monde de plus en plus globale et complexe, où nous ne pouvons plus saisir de règles ou il faut s’adapter toujours, mais qui a pourtant sa poésie.

Alice ist in der Gesamtinstallation ihres Namens quasi ein Bild für das, was sich um sie herum abspielt. Da ist ein kurzes Video, das – fragmentiert – zwei Menschen zeigt, die ein Spiel spielen, dessen Regeln für uns undurchschaubar sind; wir stellen in der Repetition lediglich fest, dass immer dieselbe Person zu gewinnen scheint und die andere sagt „ce n’est pas possible“. In einem Film-Quiz käme nun sicher die Frage, aus welchem, berühmten Film die kleine Szene stamme. Eigentlich ist das für die künstlerische Arbeit von Véronique nicht wichtig, aber wir sind alle neugierig, darum gebe ich weiter, was mir die Künstlerin verriet. Es ist eine kleine Sequenz aus dem Film „l’année dernière à Marienbad“ von Alain Resnais, aus dem Jahr 1961.

Je disais qu’il n’est pas important de connaître le film pour comprendre l’oeuvre de l’artiste. Et pourtant, savoir un peu plus rajoute quand même une facette au fil rouge à travers l’art de Véronique Zussau. Dans le film un homme tente de convaincre une femme qu’ils ont eu une liaison l’année dernière dans le même hôtel de luxe à Marienbad. Elle ne se souvient pas et jusqu’à la fin on ne sait pas si c’est un rêve, une stratégie de séduction ou une réalité perdue. Mais tout est possible et tout est une partie de l’homme qui a le don de vivre à la fois dans la réalité et dans le pays des merveilles, bien qu’il n’est pas toujours facile de trouver des règles pour se tenir debout vis-à-vis des exigences de la vie quotidienne. La voix le dit clairement: Il n’est pas possible de gagner le jeu.

Das Objekt, das plastisch und materiell eine wichtige Bedeutung hat für die Installation, zeigt es. Wissen sie ob dieses silbernfarbene Objekt an der Wand, dessen Äste – ach, da realisiere ich gerade, Alice sass unter einem Baum als sie einschlief und im Wunderland wiedererwachte, einfach überwältigend wie Véronique alles mit allem verbindet, unsichtbar quasi. Item, können sie sagen, ob dieser Baum wirklich einen Baum meint oder ob es nicht gleichzeitig auch ein Hirschgeweih sein könnte und ob es nicht vielleicht ein Wunderland gibt, wo das eine auch das andere ist und beides Realität? Es ist silbrig und damit reflektierend, es ist klein und trägt doch das Geschehen und lehnt sich zugleich leicht nach rechts – wer weiss, vielleicht um die springende Alice aufzufangen, wenn sie nach einer Schlaufe rund um den aus weiter Ferne sichtbaren Globus das Bedürfnis hat sich niederzulassen oder gar aus dem Wunderland wieder in die Realität zurückzukehren.

L’installation Alice occupe tout une salle de l’exposition. Elle est en soi. Mais ne pensez pas qu’il n’y ait pas de liens avec les oeuvres dans les autres salles. Mais il faut que je fasse une paranthèse. Véronique Zussau travaille depuis des années en trois dimensions.Soit en forme d’objets, d’installations spacieux ou – de photos. Bien sûr la photo est en deux dimensions, mais elle pense les trois dimensions, chez Véronique Zussau d’autant plus qu’elle a souvent photographié des modèles spécialement faits pour la photo d’art. Souvenez-vous des photos de montagne par exemple! Ici, dans la photo principale de la deuxième salle, qui nous montre un cygne sur un socle, elle fait en principe la même chose qu’elle a déjà fait dans les scèneries d’intérieurs montrées au musée de Moutier il y a sept ans. Elle travaille avec des superpositions en étappes, mais cette fois-ci construit avec la software de photo-shop, qui donne – entre autre – la possibilité de jouer avec la lumière et à travers la lumière l’intensité de la couleur.

Aber eigentlich sind diese technischen Aspekte für die Kunst egal. Es geht mir nur kurz darum, aufzuzeigen, dass es zwischen den sich überlagernden und dadurch Bewegung suggerierenden Flügelschatten des Schwanes und Alice in der Folie einen methodischen, aber auch einen Denk-Zusammenhang gibt, der hier wie dort eine Ausweitung des realen Raumes in immaterielle Dimensionen anzeigt oder umgekehrt. Véronique Zussau verbindet also nicht nur inhaltlich auf wunderschönste Weise alles mit allem, sondern achtet auch darauf, dass sie methodisch in einem verdichteten Kontext bleibt.

Le cygne qui ce présente ici comme photo en soi – et non pas une partie d’une installation comme dans l’exposition „Pigeon vole“ à Bienne il y a deux ans (une oeuvre qui appartient entretemps à la Mobiliar à Berne) – ce cygne nous racconte une histoire qui est à la crête entre souvenir et rêve. Nous ne pouvons pas dire ce qui est juste, la réponse est uniquement en nous-même. Est-ce-que ce n’est pas la même chose qu’à Marienbad? Est-ce-que le „ce n’est pas possible“ n’est pas pensé pour la deuxième salle aussi? Ou est-ce-qu’il faut se transformer en Alice pour s’approcher du cygne blanc, qui porte dans son corps majestueux toujours sa fierté d’être un cygne blanc?

Der Schwan „lebt“ heute in einem Verleih-Haus – er ist ein Schauspieler, war schon in Theatern, in Schaufenstern und anderswo prominent zu sehen. Fast wie Giorgio Albertazzi im Film von Alain Resnais. Anders die ausgestopften Vögel in den übrigen Fotos der Ausstellung. Aber auch sie haben eine weiterführende Geschichte, wie das zu Véronique Zussaus behutsamen Verknüpfen von Verschiedenem zu Verdichtetem gehört. Es sind Präparate aus der Kollektion von Paul-André Robert, der vor bald 100 Jahren für seinen Vater Léo-Paul Robert Vögel schoss und präparierte, damit dieser das göttliche Wunder der Natur im Spiegel der Vogelwelt malen könne. Wissenschaft, Kunst und ein pantheistischer Glaube stehen somit hinter den Präparaten, die Véronique Zussau in ihren Aufnahmen ebenso kre atürlich wie in ihrer Schlichtheit über sich selbst hinausweisend zeigt und damit Leben und Tod zugleich visualisiert.

L’art de Véronique Zussau semble être très léger. On a envie de le porter afin qu’il ne tombe pas – il n’y a rien qui touche la terre sauf les quatre pieds du socle d’Alice. Même la terre dans la foto d’internet, transmis sur plexi, nous semble être la lune, bien que nous y reconnaîtrons le continent de l’Afrique.

Doch halt, da gibt es zwei Ausnahmen, die fast ein wenig die Funktion haben, uns nicht entschweben zu lassen. Ich meine die beiden Heliogravuren, die mit Humor auf unser menschliches Tun und unsere kleine Existenz hinweisen, indem sie einen Stapel Zeitungen, in dem ach so viele Geschichten stehen, mit einer kleinen weissen Wolke am Himmel kombinieren oder die Erdkugel mit einem winzig kleinen Ausschnitt vor unseren Füssen zusammenbringen. Gut so – Wunderland hat nämlich auch seine Tücken.

Zu guter Letzt habe ich noch ein Anliegen: Übersehen sie nicht das Ende letzten Jahres erschienene Buch zum Schaffen von Véronique Zussau. Es ist eines der besten Kunstbücher, die ich in letzter Zeit gesehen habe – und ich sehen viele – denn es gelingt der Künstlerin darin, das Vernetzen, das ebenso ihr Gesamtwerk wie diese Ausstellung auszeichnet, auch in Buchform zu verwirklichen.

Vom Rufen der Erinnerung und vom Spielen der Bilder

2007

Véronique Zussau
Prisme et compression
Eine Vorstellung ist kein Bild, aber ein Bild kann ihr entsprechen. Ludwig Wittgenstein